3. Zwischenbericht, Diakonweihe in Zomba und Fronleichnam
Seit gut drei Wochen schon ist dieser Zwischenbericht nun
fällig, jedoch fand ich bisher immer noch schönere und interessantere Dinge,
die ich ihm vorschieben konnte. Nun allerdings möchte ich auf das Vergangene
schauen und analysieren, warum es immer besser läuft und ich schon gar nicht
mehr aus Malawi gehen möchte.
Bobab im Liwonde National Park - auf Reisen mit meiner Familie |
Auf meiner Arbeitsstelle, der „St. Francis Catholic
Primary School“ bin ich nun richtig im Beruf der Lehrerin angekommen, auch,
wenn so manche Planung der Stunden eine Herausforderung darstellt, oder die
Kinder mal wieder nicht so mitarbeiten wie erhofft und ich somit den Stoff
anders planen muss. Ganz selten habe ich auch noch das Gefühl, dass mich einige
gar nicht verstehen und in jeder der beiden Klassen gibt es jeweils drei bis
vier Schüler, die nicht einmal Englisch lesen können. Das frustriert mich im
ersten Augenblick immer, jedoch versuche ich, sie so gut wie möglich,
mitzuziehen und ihnen auch einmal Extra-Chancen auf eine gute Benotung zu
geben. Inzwischen hat sich meine Spontanität im Unterricht so weit ausgeweitet,
dass ich auch mal für eine Mathe- oder „Bible Knowledge“-Stunde einspringe,
oder schon in Standard 7 „Life Skills“ unterrichtet habe. Das hat mir besonders
große Freude gemacht, da die Schüler dort schon ein wenig älter sind und auch
mal über eine Frage oder ein Thema diskutieren können, wohingegen meine Kinder
in Klasse 5 alles weitestgehend ohne Kommentar hinnehmen - bis auf meine
„Schlaumeier“, die manchmal richtig tolle Streitfragen anzetteln und ich mich des
Öfteren über sie wundere.
Bisher einmal hatte ich in diesem Term die Gelegenheit zur
„morning assembly“ vor der ganzen Schule das „bible reading“, das Morgengebet abzuhalten.
Leider rutschte mir hier das malawische „let us play“ anstatt des „let us pray“
heraus, was für ein Schmunzeln in vielen Gesichtern sorgte. J Das malawische „l“ und
„r“…
Auch ein tolles Erlebnis der vergangenen Monate waren die
MOCK-Examinations der 8.-Klässler, in denen ich als Aufsicht sitzen durfte. So
war ich von montags bis mittwochs meist morgens und nachmittags in der Klasse,
beantwortete Fragen oder half bei Unleserlichkeiten. Das erinnerte mich an
meine zurückliegende Abiturzeit, doch nun hatte ich die Position des Lehrers
inne. Zum jetzigen Zeitpunkt allerdings haben die Schüler bereits ihre Malawi
National Examinations in Standard 8 -nach ihrer Grundschulzeit- hinter sich und
am letzten Freitag gab es dann auch eine „Graduation“ für sie, mit Mittagessen,
Drama, Tanz, Abschiedsgeschenken und Disco. Ich vermisse sie ein wenig, da man
sich mit ihnen wirklich gut unterhalten konnte und sie im Kopf einfach schon
ein wenig weiter waren. Außerdem war es wieder ein Abschied - das fällt mir
jedes Mal schwer und ich mag diese Momente nicht, obwohl natürlich das ganze
Leben aus „Willkommen und Abschied“ besteht.
Beim Tanzen von traditionellen Tänzen zeigen die Kinder immer vollen Eifer und Einsatz. |
Gerade behandeln
wir in „Expressive Arts“ das Thema „traditional dances“ und es bereitet den
Kindern so viel Spaß zu Trommelrhythmen zu tanzen und sich wi
e schon von klein
auf gelernt zu bewegen. Meist stehe ich einfach nur daneben und schaue es mir
einerseits fasziniert andererseits auch befremdet an, da ich solche Bewegungen
aus Deutschland überhaupt nicht kenne. Den Kids allerdings kann ich mit zwei mit in den Unterricht gebrachten
Trommeln schon eine Riesenfreude machen -und das finde ich schön. Dass sie ihre
Kultur so pflegen und schon im Kleinkindalter die traditionellen Tänze und
Gesänge lernen.
Mit meiner Tanzgruppe treffe ich mich seit dem neuen Term
immer freitags -und wir haben Zuwachs bekommen. Einige Schülerinnen der
4.Klasse haben sich nun auch getraut und proben mit uns. Manchmal sind die
Mädchen ganz schön kleine Zicken, aber dennoch macht es Spaß und wir haben zum
letzten Closing-Day, als auch für den deutschen Besuch aus Anlass der
Hosteleinweihung Tänze zum Besten
gegeben. Nun proben wir bereits eifrig für den nächsten Closing-Day am 12.Juli,
leider mein Letzter. Einen Tanz nahmen wir
sogar auf Video auf und meine Eltern haben es für die Goldene Hochzeit meiner
Großeltern mit nach Deutschland genommen. Darüber haben sich die Mädels
natürlich sehr gefreut - so war zumindest ein Teil von ihnen in meiner Heimat.
Irgendwie verstanden sie das ganz gut und waren mit vollem Eifer dabei.
Eine weitere Neuigkeit der letzten Zeit ist, dass
Friederike und ich nun keinen Chichewa-Unterricht mehr nehmen, jedoch immer
noch viel in unserem Alltag von der Sprache lernen und uns auch so noch
weiterbilden. Besonders im Urlaub mit meinen Eltern oder auch im Unterricht
bemerke ich aber schon ganz deutlich, dass ich fähig bin, die Sprache recht
fließend zu sprechen und nur mehr Vokabeln lernen muss - wie in allen anderen
Sprachen auch. Meine Kinder fragten mich sogar schon, warum ich sie nicht auf
Chichewa unterrichte, schließlich wäre ich doch jetzt fähig, ihre Landessprache
zu sprechen. Auch einige Lehrer meinten schon scherzhaft, dass ich ab September
dann Chichewa in Standard 8 unterrichten werde und einfach nicht mehr zurück
gehe. J
Manchmal bringe ich übereifrigen Lehrern oder Schülern
auch einige Worte Deutsch bei und freue mich dann immer, wenn ich die eine oder
andere Vokabel im Alltag höre.
Zum Chor der Gemeinde gehe ich noch ab und zu -wie es die
Zeit erlaubt, denn oftmals ist mir der Gang zu Freunden oder das
Volleyballspiel, einfach wichtiger und ich habe dabei mehr das Gefühl, dass ich
mitLEBE. Trotzdem hatte ich dank des Chores ein wunderschönes und für mich
wirklich unvergessliches Osterfest, da wir in der Osternacht singen durften. Das
machte die gesamte Osternacht zu etwas Besonderem für mich, ich erlebte alles
hautnah mit - in der ersten Reihe. Als der Gottesdienst beendet war, gab es
noch eine Zugabe und viele Menschen gingen singend oder tanzend aus der Kirche.
Sogar im Ort hörte ich später noch Mädchen Lieder unseres Chores singen. Was
für eine Nacht! Ich denke, ohne den Chor
wäre es nur halb so schön und intensiv geworden. Ich genoss allerdings auch den
Gründonnerstag, an dem ich noch ins Krankenhaus arbeiten ging und den
anstrengenden Karfreitag, an dem ich mich zu einem 10km-langen „Gewaltmarsch“
in der afrikanischen Hitze aufmachte. Nicht einmal die für mich typischen sorbischen
Gesänge und die zum Osterfest einfach dazugehörenden Osterreiter aus meiner
Heimat vermisste ich am Sonntag, sondern genoss einfach, dieses Fest einmal
ganz anders zu feiern. Ich kann sagen, das diesjährige Osterfest war für mich
eines der faszinierendsten und intensivsten, welches ich bisher erlebte und es
wird mir womöglich noch lange in Erinnerung bleiben.
Nach noch gut einer Woche Arbeit im Krankenhaus, in dem
auf der Entbindungsstation wieder recht wenig los war, ich jedoch auch im Labor
noch viel dazulernen konnte, war nach Ostern endlich der Tag gekommen, an dem
ich meine Familie am Flughafen in Lilongwe wiedersehen konnte. Vom 6. bis
24.April besuchten mich meine Eltern und Geschwister hier in Malaw
i, lernten
mit mir Land und Leute kennen und erlebten meine neue Heimat hautnah. Wir
verzichteten auf Taxis oder teure Mietwagen und fuhren richtig typisch
malawisch im überfüllten Mini- oder Bigbus von Ort zu Ort, bewunderten die
Landschaft und schmunzelten über so manche typisch malawische Gewohnheit. Zu
Beginn der Reise bemerkte ich etwas an mir, dass mir so noch nie wirklich
bewusst geworden ist. Zwar war ich immer sehr froh, wenn ich von einer Reise
oder einem Wochenende wieder in Madisi angekommen bin. Doch diesmal wollte ich
gar nicht weg von hier und musste beinahe weinen, da ich schon vor dem
Wegfahren Heimweh nach meinem Zuhause hier hatte! Deshalb fand ich es auch
eine schöne Geste, dass mich ganz viele
Kinder unserer Schule begleiteten und als sie meinten, ich ginge nach
Deutschland, versicherte ich ihnen auf Chichewa, dass ich ganz sicher
wiederkomme und nicht weg gehe. Nach der Reise war ich schon ein wenig stolz
auf mich, da ich alles selbst (malawisch spontan) geplant habe (obwohl mir vorher
schon ein wenig Bange war), es allen wirklich sehr gefiel und wir sehr viel in recht
kurzer Zeit gesehen haben.
Besonders in dieser Zeit, als meine „deutsche Welt“ wieder
auf mich zukam, bemerkte ich wirklich Veränderungen an mir und konnte anfangs
die zwei in mir entstandenen Welten nicht vereinen…Ich habe gelernt, mit sehr
wenig im Leben auszukommen und mit dem zufrieden zu sein, was ich habe. Strom-
oder Wasserausfälle gehören nun schon zu meinem Allt
ag dazu und verwundern mich
keineswegs mehr. Doch besonders fühlte ich durch den Besuch meiner Eltern die
neue Selbstständigkeit etwas eingeschränkt, da ich nun plötzlich wieder aktiv
die Rolle des Kindes in der Familie einnahm. So bemerkte ich, wie viel mir
daran liegt, selbstständig zu entscheiden und zu leben, eben den Alltag allein
zu meistern, wie ich es seit August letzten Jahres tun konnte.
Wenn ich nicht gerade im Chor singe oder auf dem
Volleyballfeld zugegen bin, gehen Frieda und ich in unserer Freizeit meist gegen Abend noch zum
Trading Center und besuchen Freunde daheim oder erledigen noch schnell
Einkäufe. Es kommt auch vor, dass uns Bekannte auf der Straße sehen und einfach
zum Abendessen einladen. Natürlich freut uns das, da wir nsima wirklich mögen
und es diesen in Deutschland nicht gibt. Oft spiele ich auch an freien Tagen
oder wenn ich am Wochenende zu Hause bin (was in nächster Zeit leider nicht
mehr so häufig vorkommen wird) mit einigen Kindern aus dem Dorf auf der Weise
vor dem Krankenhaus lustige Spiele. Ich bringe dann immer Ball, Flummi, Springseil
und Frisbeescheibe mit und schon können bis zu 20 Kinder von 2 bis 13 Jahren
langzeitig beschäftigt werden. J
Wenn die Kinder wissen, dass ich daheim bin und sie sich gemerkt haben, dass
ich ihnen 16Uhr zum Spielen zusagte, kommen sie auch schon mal um 14Uhr an
unser Tor und klopfen und rufen lauthals „teacher“, sodass ich gar nicht anders
kann, als den kleinen süßen schwarzen, durch den Zaun lugenden Gesichtern
nachzugeben und ihnen ihren Spielewunsch zu erfüllen.
Maispuhlen: einfach hinsetzen und Körner vom Kolben trennen kann sehr viel Spaß machen |
Zur Maiserntezeit habe ich oft in der Schule beim
Maispuhlen geholfen, mich in den Freistunden und Pausen oder am Nachmittag mit
Kindern hingesetzt und den Frauen damit etwas Arbeit abgenommen. Die ersten
Blasen an den Fingern waren natürlich auch recht schnell eingefangen und
dennoch befolgte ich einfach, was Malawier machen: einen Tag Pause und dann
ging es weiter. An einem freien Dienstag suchte ich nachmittags sogar
freiwillig bei Freunden nach dieser Tätigkeit -und wurde fündig. Bei einer
Lehrerin saßen wir etwa 1 Stunde und puhlten einen ganzen Berg Mais zusammen.
Derzeit werden aber auch Erdnüsse und Soja geerntet und
leider bin ich schon süchtig nach den Nüssen, sodass ständig Vorrat im Haus
sein muss. Zur Zeit unserer Reise wurden sie überall noch gekocht und in der
Schale angeboten, wodurch ich die meiste Zeit auf langen Fahrten
Erdnuss-puhlend im Bigbus saß und die Schalen natürlich ganz malawisch fallen
ließ. Noch besser schmecken sie allerdings, wenn man sie bereits geschält einkauft
und sich dann röstet. Das bringt einfach den richtig malawischen Geschmack und
da unser Ofen nicht mehr funktioniert, werden sie auch noch auf traditionelle
Art und Weise über Kohlen auf einem Kuchenblech in etwas langwieriger und doch
richtig entspannter Prozedur geröstet und man kann schließend gar nicht genug
bekommen.
Gerufen werde ich auf einem normalen Weg zum Markt
beinahe an jeder Ecke, wo sich ein Kind
dahinter versteckt mit „teacher“, „sister“ und, was mich besonders freut
„Christina“! Den Namen konnten zuerst meine Schüler, die ihn dann
wahrscheinlich ihren kleineren Geschwistern beibrachten und selbst Kinder,
welche nicht in meine Klasse oder gar auf unsere Schule gehen, wissen ihn nun.
Das macht mich immer besonders glücklich und doch ist „Aaaaazungu“ immer noch
die beste Alarmglocke, wenn man gerade mal nicht auf den Beruf oder Namen der
Weißen kommt. J
Dann weiß auch die umliegende Nachbarschaft Bescheid.
Eine Veränderung: Endlich gibt es in Madisi wieder zwei
Fahrräder für die MaZ’ler. Ich habe nach dem Besuch meiner Eltern ein Fahrrad
in Mponela gekauft und mit dem Minibus nach Madisi transportieren lassen, was
kein leichtes aber ein malawisch lösbares Unterfangen war. So unternehmen wir
jetzt häufig abends noch kleine Touren in den Sonnenuntergang und kommen so ein
wenig weiter in die Umgebung Madisis, als zu Fuß.
Die Kandidaten liegen vor dem Altar, während die Schola und der Bischof die Allerheiligen Litanei singen. |
Zwei kirchliche Höhepunkte neben dem Osterfest steckten
noch in jüngerer Vergangenheit: eine Diakonweihe in Zomba am 25. Mai und das
Fest Fronleichnam hier in Madisi am 2. Juni. Zur Weihe bin ich mit der Familie
eines Kandidaten mitgefahren, da seine Mutter mit den Schwestern befreundet ist
und sr. Raynelda mir den Kontakt vermittelte. Allein wäre mir die Fahrt zu weit
gewesen, doch interessiert war ich sehr, da ich dieses Ereignis selbst aus
Deutschland noch nicht kannte. Kurzfristig musste ich jedoch allein fahren, da
Frieda krank geworden ist. Das jedoch war auch nicht schlimm, denn ich wurde
sofort von der ganzen Familie ganz lieb in Empfang genommen und sie kümmerten
sich nett um mich. Als einzige Nicht-Malawierin in einer Gruppe von mehr als 40
Personen war es anfangs schon komisch, doch beinahe jeder sprach auch Englisch
-oder versuchte es zumindest, genauso, wie ich mich mit Chichewa bemühte, was
meist zu gegenseitigen herzlichen Lacheinlagen führte. J Ich lernte auf dieser Reise
so viele nette Menschen kennen und viele von ihnen haben eine „Weiße“ erst
einmal näher kennen gelernt und wissen nun zB. dass sie sich auch über „nsima“
freut und gerne auf Reis verzichtet. Das verwunderte am ersten Abend die
meisten genauso wie die Fakten, dass ich problemlos mit den Händen aß und mit
allen anderen Frauen freiwillig in der Garage schlief und keine
Sonderbehandlung benötigte. Trotz dem wir uns vorher überhaupt nicht kannten,
sagten mir die meisten, es sei „gut gewesen, dass ich da war“. Und auch, wenn
es in der Mehrzahl der Fälle aufgrund meiner Hautfarbe gesagt wurde, finde ich
es doch lieb und freue mich über diese Worte. Die Weihe der 19 Diakone war ein
wunderschönes Fest -und doch wieder ein typisch malawisches, welche mir im
Allgemeinen nicht so gut gefallen, wie die deutschen. nach dem Gottesdienst in
der Kathedrale in Zomba gab es ein riesiges Chaos auf dem Vorplatz, denn alle
Diakone wurden nun von ihren Freunden/Verwandten/Familien empfangen, es wurde
getanzt, getrommelt und lauthals gesungen, sodass ich völlig den Überblick
verlor. Doch zum Glück erkannte ich schnell unsere Festtagsfarbe (jede Diözese
hat, wie es auch auf malawischen Hochzeiten üblich ist, eine eigene Chitenje
(Farbe), woran man die Menschen schnell erkennen kann) und fand somit wieder
Anschluss J.
Dann ging es in eine nahegelegene Secondary School, in welcher die eigentliche
Feier stattfand, d.h. Mittagessen, laute Musik und Tanz, Geschenkübergabe,
Reden und dann durften auch alle wieder nach Hause fahren. Die malawischen
Feste sind erstaunlicherweise immer schnell wieder beendet und beinhalten nur
diese vier wichtigen Dinge; persönliche Gespräche sind kaum möglich. Wir
machten uns also am gleichen Tag noch auf die lange Rückfahrt und kamen völlig
erschöpft und müde gegen 21Uhr in Lilongwe an. Dort übernachteten wir im Hause
der Mutter des Diakons -was ungefähr noch 20 andere Fremde Menschen taten.
Nicht, dass diese Familie ein besonders großes Haus hatte, aber in Malawi ist
das alles überhaupt kein Problem. Man legt einfach ein paar Matten auf den
Boden und stellt die vorhandenen Betten zur Verfügung und dann wird geschlafen.
Alles ganz unkompliziert und schön, wie ich finde. Es war also eine gute Erfahrung, diese Reise
gemacht zu haben, da ich wieder einmal für ein Wochenende Malawi hautnah
erleben konnte.
Im Hintergrund der Priester mit dem Allerheiligsten unter dem Baldachin. Davor liefen Ministranten und Blumenmädchen. |
Auch das
Fronleichnamsfest war beinahe komplett anders als ich es von daheim gewohnt bin
und doch hatte ich nicht ein Fünkchen Heimweh und genoss es, etwas anderes,
neues zu sehen. Besonders gefiel mir die Choreografie der Blumenmädchen, welche
sich zur anschließenden Prozession durch den Ort im Rückwärtsgehen abwechselnd
vor dem Allerheiligsten verneigten, dreimal Blumen aus ihren Körben warfen, sich
wieder verneigten, bevor sie zurück in die Reihe gingen. Natürlich auch die
afrikanischen Rhythmen, die malawische Spontanität und Lebensfreude
faszinierten und begeisterten mich so sehr! So kamen mir die 6 Stunden Gottesdienst von 8.30Uhr bis
14.30 Uhr auch überhaupt nicht so lang vor, trotz dem die Hitze und der Staub
schon sehr anstrengend und ermüdend waren.
In den letzten Monaten ist mir besonders stark die
übeAufmerksamkeit von malawischen Männern an weißen Frauen
aufgefallen. Ich bekam während der Zeit des Reisens mehrere Heiratsanträge und
nur selten gibt es keinen Kommentar, den ein vorbeigehender Mann nicht zu mir
sagen muss. Ich denke, der Hautfarbenfaktor spielt dabei die entscheidende
Rolle und doch finde ich es oftmals sehr interessant und erlaube mir den einen
oder anderen Scherz mit den Malawiern. Ich stecke es inzwischen schon mit einem
Schmunzeln weg und genieße die Aufmerksamkeit hier einfach noch die letzte
Zeit, bevor ich in Deutschland wieder „eine von vielen“ sein werde…
raus hohe
Zum Thema Armut/Leid und Krankheit kann ich nicht viel
mehr schreiben, als bereits im zweiten Bericht. Nur erfahre ich jetzt hin und
wieder einmal von einigen Bekannten, wer von den Mitarbeitern der Schule oder
des Krankenhauses an AIDS leidet. Und oftmals sind es Menschen, von denen ich
es nie gedacht hätte…man sieht ihnen die Krankheit nie richtig an. Deswegen
liegen viele Fälle immer noch im Dunkeln und außer Witzen, die für mich
unverständlicherweise manchmal gemacht werden, sprechen die Menschen hier nicht
viel über dieses Thema. Bereits vier meiner Freunde, die Waisenkinder sind,
habe ich einige für mich interessante Fragen zum Thema „AIDS und dem Verlust
der Eltern“ gestellt und alle gaben mir wirklich sehr ergreifende Antworten.
Ich stellte diese Fragen, da ich bei den Waisen in der Schule oftmals keinen
wirklichen Unterschied zu den Nichtwaisen sehe und deshalb wollte ich
erforschen, wie es für meine Freunde war, als sie noch klein waren. Doch
beinahe alle meinten, wenn die Eltern sehr früh gehen, lernt man irgendwann mit
der Situation zurecht zu kommen und nicht mehr jeden Tag nach dem „Warum?“ zu
fragen. Viele vermissen die elterliche Liebe und Geborgenheit sehr, auch wenn
sie bei lieben Verwandten wie die eigenen Kinder groß gezogen werden.
Betroffen macht mich nach wie vor sehr, wenn ich
verwahrloste Kinderauf den Dörfern sehe oder Kinder in unserer Schule, die kaputte
oder gar keine dem Wetter entsprechende Kleidung am Leib tragen, schon krank
zur Schule kommen oder sehr oft dieser einfach ganz fern bleiben. So zB. bei
einem Jungen aus meiner Klasse, der seit Beginn des Terms nicht mehr im
Unterricht war und plötzlich wieder an der Tür auftauchte. Da fragte ich beim
Klassenlehrer nach und wollte wissen, was denn bei ihm vorgefallen sei. Der
Lehrer erzählte mir seelenruhig von einem „issue“ (Thema) im Hause des Jungen,
dass wohl die Großmutter nach Lilongwe musste, um jemand Krankes zu pflegen und
er daraufhin einfach keine Lust auf Schule hatte. In diesem Fall bleibt mir
immer nicht viel übrig, als das zu glauben, doch am liebsten würde ich mich
selbst mi Eltern oder Erziehungsberechtigten unterhalten und nach den Ursachen
forschen….nun kommt das Kind allerdings wieder regelmäßig zur Schule und ich
hoffe, dass es auch so bleibt.
Besonders als meine Eltern hier waren, habe ich die Armut
noch einmal mit ganz anderen Augen wahrgenommen. Auch, wenn einige meiner
Freunde einen Fernseher oder CD-Player im Haus haben, heißt das noch lange
nicht, dass sich ihre Küche nicht draußen auf dem Hof befindet und sie über dem
Feuer kochen, dass sich viele große Risse in den Wänden befinden oder sie nicht
einmal ein richtiges Bett, geschweige denn Fenster in den Wänden oder Schränke
und Möbel im Zimmer haben. Die Maßstäbe werden hier teilweise sehr viel anders
gesetzt als in Deutschland. Das bemerkte ich auch, als ich vor kurzem einen
Freund besuchte, der sich im letzten Jahr sein eigenes kleines Häuschen gleich
neben dem seiner Mutter baute, da er mit der Arbeit in der Schule selbst Geld
verdient und ein wenig mehr Freiheit und Selbstständigkeit wollte. Das Haus
besteht aus zwei Räumen, hat keinen Strom- und Wasseranschluss (Feuerstelle und
öffentlicher Wasseranschluss reichen da völlig) und besitzt nicht einmal ein
echtes Wellblechdach, sondern nur eine Plane mit Buschgras darüber. Der erste
Raum ist sein Schlafzimmer und im nächsten kann er Freunde und Besuch
empfangen. Ich finde sein Zuhause wirklich niedlich, da es wie für ihn gemacht
ist und doch würde in solche einer „Lehmhütte“ in Deutschland wohl niemand freiwillig
leben wollen…
Schon wieder hat die malawische Regierung die
Ferientermine geändert und die zwei von den Oster- zu den Sommerferien
geschobenen Wochen wieder weggestrichen. Somit bleiben mir nach dem Ende der
Schule nun doch wieder nur noch zwei Wochen bis zum Abflug, die noch so voll
mit Terminen und Vorhaben sind, dass sie bald aus allen Nähten platzen. Aber
wer weiß? Vielleicht bekommen wir einen vor dem ursprünglichen Termin noch
einmal einen Neuen mitgeteilt…In Malawi ist schließlich nichts unmöglich.
Dennoch sind es nur noch zwei Monate, die vor mir liegen
und ich bin zum jetzigen Zeitpunkt so gut hier in Madisi angekommen, dass ich
mein „Zuhause auf Zeit“ eigentlich gar nicht mehr verlassen und noch nicht an
den bevorstehenden Abschied denken möchte. Allerdings müssen nun langsam schon
die Reden und Abschiedsgeschenke und meine „Fare-Well-Party“ vorbereitet werden,
sodass die Gedanken daran unausweichlich sind. Eines ist für mich allerdings
schon klar: Leicht wird es bestimmt nicht, mich von meiner neu gewonnenen Heimat
zu verabschieden -auf unbestimmte Zeit „Lebt wohl“ zu sagen- und zurück in die
„alte Welt“ nach Deutschland zu gehen, die Ausbildung in einer fremden Umgebung mit neuen Leuten zu
beginnen. Doch sicher wird auch dieser Lebensabschnitt spannend und wie hat
schon Hermann Hesse einst gesagt: „Jedem neuen Anfang wohnt ein Zauber inne.“
Ich bin also gespannt, in welcher Form mich dieser Zauber treffen wird. Mit
100%-iger Sicherheit kann ich allerdings sagen, dass Malawi und ganz besonders
auch Madisi immer in meinem Herzen bleiben und ich zurückkommen werde…
Eure christina
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